Die Selbststeuerung des Organismus ist auch der Ansatzpunkt, von dem ich ausging, als ich eine Krankheitslehre der Naturheilkunde entwickelte, die ich als meine wichtigste wissenschaftliche Leistung betrachte. Ich hoffe und glaube in ihr die leitenden Gedanken gefunden zu haben, unter denen sich die bisherige wissenschaftliche Forschung der Naturheilkunde zusammenfassen läßt und nach denen sie sich in der Zukunft ausrichten kann.
Die Unsicherheit bei der Beantwortung der Frage, in welchen Krankheitserscheinungen man eine sinnvolle Abwehrmaßnahme des Körpers gegen Schädigungen sehen darf, in welchen dagegen eine bloße Folge der Schädigung, wird einem deutlich, wenn man das Buch des Geschichtsforschers der Medizin, Max Neuburgers, „Die Geschichte der Naturheilkraft“, liest. Das Ringen um eine Antwort auf diese Frage läßt sich durch alle Jahrhunderte verfolgen, ohne daß sie gefunden wurde. Gerade für die Naturheilkunde war diese Frage besonders wichtig, ihre Entscheidung in dieser oder in jener Richtung ist im einzelnen Fall maßgebend dafür, ob eine Behandlung mit Hilfe der Selbststeuerung noch möglich ist oder ob sie versagen muß.
In meinem Webseite, habe ich mich grundlegend mit diesem Problem beschäftigt. Ich machte Leistung und Versagen der Selbststeuerung zur Grundlage einer Einteilung. Mit dem Begriff des „Gleichgewichts“ meinte ich den Zustand der Gesundheit, bezeichnete die Phase zwischen der Schädigung und dem Anlaufen der Gegenwehr des Körpers als „Gleichgewichtsstörung“ (Dämmerungszone der Gesundheit) und unterschied dann zwischen der eigentlichen „Krankheit“, in der sich die Abwehrtätigkeit des Organismus voll auswirkt, und dem „Leiden“, in dem sich ein Versagen der Selbstregulation anzeigt. Ich versuchte weiter den Begriff der Neurose von körperlichen und seeüschen Gesichtspunkten aus zu fassen und auf der Grundlage dieser Einteilung die Richtlinien einer sinnvollen Behandlung zu entwickeln.
Solange die Naturheilkunde aus einer Reihe von Verfahren bestand, die von Laien erfunden waren und hauptsächlich von Laien gehandhabt wurden, konnte sie sich mit einer praktischen Bewährung begnügen. Als sie mehr und mehr wissenschaftlich ausgebildete Ärzte für ihre Art der Behandlung gewann, mußte sie sich bemühen, exakte Erklärungen für die praktische Bewährung ihrer Methoden zu finden; heute, wo sie über diese Grundlagen verfügt, muß sie die einzelnen wissenschaftlichen Erkenntnisse unter einheitlichen Gesichtspunkten zusammenfassen, um theoretisch lehrbar zu sein und damit ihrer Forderung auf Lehrstühle an der Universität eine unbestreitbare Berechtigung zu geben.