Hufeland wurde am 12. August 1762 in Langensalza in Thüringen geboren. Wie Hippokrates entstammt er einem Geschlecht von Ärzten.
Vom dritten Lebensjahr an wuchs Hufeland in Weimar auf, sein Medizinstudium führte ihn nach Jena und Göttingen. Nach Ablegung seiner Doktorprüfung mit einer Arbeit über „Anwendung der Elektrizität bei Scheintoten“ (1783), mußte der junge Arzt sofort in Weimar die Praxis seines fast erblindeten Vaters übernehmen, die er zehn Jahre ausübte.
Während seiner Tätigkeit als praktizierender Arzt in Weimar nahm er regelmäßig an den Abendgesellschaften im Goetheschen Hause teil und trat in freundschaftliche Beziehungen zu Goethe, Schiller, Wieland, Herder, Fichte, Schleiermacher, Jean Paul, die alle auch von ihm ärztlich behandelt wurden, wenn es nötig war.
Sehr bald zeigte es sich, daß Hufeland für die öffentliche Gesundheitspflege ein besonderes Interesse hatte. Beschäftigte er sich schon in seiner Doktorarbeit mit dem Scheintode, so bemühte er sich späterhin, durch Errichtung von Leichenschauhäusern das Lebendigbegrabenwerden zu verhindern.
Ein Teil der öffentlichen Gesundheitspflege galt auch der Bekämpfung der Pocken, zu deren Überwindung Hufeland die Absonderung der Kranken vorschlug, um dadurch die Ansteckung der Umgebung und damit die Weiterverbreitung der Krankheit zu verhindern.
Dem Einfluß Goethes war es zu verdanken, daß Hufeland von seiner Tätigkeit als praktizierender Arzt hinweg durch den Herzog von Weimar 1793 zum Professor der Medizin an der Universität Jena mit dem Titel eines Herzoghchen Weimarischen Hofrates und Leibarztes ernannt wurde. Er begann damit sein überaus fruchtbares Amt als Lehrer der Heilkunde, in dem er schnell eine große Anziehungskraft auf seine Hörer ausübte. Besonders seine Vorlesungen über Lebensordnung und Lebensverlängerung interessierten die Allgemeinheit sehr und zogen oft nicht weniger als 500 Hörer an.
Berufungen ergingen an ihn von den Universitäten Kiel, Leipzig, Pavia, ja, der Kaiser von Rußland wollte ihn zum Leibarzt haben. Alles schlug er aus, aber 1800 nahm er doch eine Berufung nach Berlin an, die ihn zum Leibarzt des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III., zum Mitglied der Akademie der Wissenschaften, zum Ersten Arzt der Charite und zum Direktor der ärztlichen Prüfungskommission machte.
Zur Familie der preußischen Königs trat Hufeland in nahe menschliche Beziehung. Als die Franzosen 1806 nach der Schlacht bei Jena Berhn bedrohten, ließ Hufeland seine Familie in Berhn zurück und folgte dem Königspaar nach Ostpreußen, wo ja besonders die Königin seiner ärztlichen Kunst und Fürsorge bedurfte.
Gleich nach Beginn seiner Tätigkeit an der Charite in Berhn regte Hufeland die Gründung einer Poliklinik für innerlich Kranke an, um den Armen der Stadt Gelegenheit zu geben, an der Quelle des besten Wissens und Könnens unentgeltlich behandelt zu werden. Über die den Armen zu verabreichenden Heilmittel verfaßte er selbst ein Buch.
Der Arzt müsse vor allem, sagt Hufeland, die Geschichte seines Faches studieren, um ein richtiges Urteil für die Gegenwart zu haben. Die Geschichte der Medizin sei die beste Lehrmeisterin für die Unterscheidung des Wertvollen vom Unbrauchbaren. Er setzte sich deshalb dafür ein, daß an der Universität in Berhn eine Professur für Geschichte der Medizin errichtet wurde.
1810 war Hufeland selbst zum Professor der speziellen Pathologie und Therapie an der neuerrichteten Universität ernannt worden, der auch Schleiermacher und Fichte angehörten. Während der Vater Hufeland erster Professor und erster Dekan der medizinischen Fakultät an der Universität wurde, begann der Sohn Hufeland als erster Student der Medizin in Berhn seine ärztliche Laufbahn.
In gesundheitlicher Beziehung war Hufeland selbst mancherlei Belastungen ausgesetzt. Schon während seiner Tätigkeit in Jena hatte er ein Auge eingebüßt, von 1830 an machte sich auf dem übtiggebliebenen Auge eine zunehmende Erblindung bemerkbar.
1831 traten Blasenstörungen auf, die nach vorübergehender Besserung jedoch wieder stärker wurden. Es mußte operativ eine Blasenfistel angelegt werden. Am 25. August 1836 wurde Hufeland durch den Tod von allen irdischen Ämtern und Aufgaben abberufen.
Hufeland war einer der vollkommensten Männer seiner Zeit und der letzte große Volksarzt, der die bewährten Methoden der Volksheilkunde mit den neuesten Forschungen der Wissenschaft in glücklicher Harmonie zu verbinden vermochte. Er war der Ergründung der Wahrheit ebenso ergeben wie dem Dienst am Nächsten. In seinem Benehmen war er freundlich-umgänglich, volksverbunden, in seinem Denken klar, vernünftig, durchsichtig. Eine liebevolle Fürsorge und freundliche Anteilnahme als Arzt ließ er bis in sein hohes Alter auch dem Geringsten angedeihen. Hervorzuheben sind weiter ebenso seine aufgeschlossene freundliche Art den Berufsgenossen gegenüber, wie seine echte und wahre Frömmigkeit.
Wie Arndt, Fichte und andere echte Deutsche hat Hufeland als eine der erfreulichsten Erscheinungen der Geschichte seiner Zeit zu gelten.
Das Hauptverdienst Hufelands liegt in seiner praktischen ärztlichen Leistung und in seiner Fürsorge für die öffentliche Gesundheit. Er ist kein geistiger Reformator der Heilkunde, und seine Bedeutung als ärztlicher Schriftsteller wird nicht als überragend bezeichnet. Doch war er mit der Feder außerordenthch fruchtbar. Er hat nicht nur die Ärzte seiner Zeit beeinflußt, sondern in die breite Masse des Volkes hinein gewirkt.
1785 erschien als eine seiner ersten Arbeiten im „Deutschen Merkur“ ein Aufsatz von ihm über „Mesmer und der Magnetismus“. Hufeland glaubte zunächst, das meiste in der Wirksamkeit des Magnetismus auf Täuschung zurückführen zu müssen, forderte aber doch, daß man seine Grundlagen erforsche und Mißbrauch verhindere. Als er ein Vierteljahrhundert später noch einmal das Wort über dieselbe Frage ergriff, sprach er sich günstiger über den tierischen Magnetismus aus, riet nur zu seiner vorsichtigen Anwendung.
Der Erfolg seiner Jenaer Vorlesungen veranlaßte ihn 1795, erstmalig seine Gedanken über die Bedeutung der Lebensordnung zusammenzufassen in einem Buch, das seinen Namen bis in die heutige Zeit hinein lebendig erhalten hat: „Die Kunst, das menschliche Leben zu verlängern.“ Dieses Buch wurde rasch in viele Sprachen, sogar bald ins Chinesische übersetzt und erlebte viele und schnelle Auflagen hintereinander. Von der dritten Auflage (1805) an führte es den Haupttitel „Makrobiotik“, unter dem wir es heute noch in den Bibliotheken finden.
Sein medizinisches Glaubensbekenntnis legte er ab in einem Handbuch, das er „System der praktischen Heilkunde“ nannte. Darin bekennt sich Hufeland im wesentlichen zur Krankheitsauffassung und Säftelehre des Hippokrates.
Hufeland meint, daß der ewige Kampf in der Heilkunde zwischen ärztlicher Wissenschaft und ärztlicher Kunst nur dadurch überwunden werden könne, daß man den goldenen Mittelweg zwischen Spekulation und Erfahrung gehe. Den Organismus begreift Hufeland als ein Ganzes und Zusammenhängendes. Die einzelnen Teile des Körpers hingen nach dem Gesetz der Sympathie miteinander zusammen. Träger dieser Sympathie sei das Nervensystem, durch dessen Vermittlung die Organe ihre Erregung gegenseitig austauschten.
Von den Eigenschaften und Pflichten des richtigen Arztes hatte Hufeland eine sehr hohe Vorstellung. Er schreibt darüber wörtlich: „Der Trieb, den Leidenden zu helfen, war die erste Quelle der Heilkunst, und auch heute muß er es bleiben, wenn die Kunst rein und edel und für den Künstler sowie für die Menschheit wahrhaftig beglückend sein soll. Leben für andere, nicht für sich, das ist das Wesen seines Berufes.“
Arzt und Kranker, sagt Hufeland, müssen in lebendiger Wechselwirkung zueinander stehen. Der Kranke müsse während der vom Arzt weise gelenkten Aussprache zur Erkenntnis seines Zustandes kommen, und der zur Einfühlung begabte Arzt müsse den vom Kranken innerhch geforderten Heilweg erkennen und vorschlagen. „Die Hauptsache in der Medizin besteht darin, das Urteil über die Krankheit und über das Heilverfahren aus dem Kranken heraus, nicht in den Kranken hinein zu tragen,“
Im „Journal der praktischen Heilkunde“ erschienen auch die Berichte der „Medizinisch-Chirurgischen Gesellschaft“, die Hufeland 1810 gründete und die 1833, bei Gelegenheit seines 50jährigen Doktorjubiläums, den Namen „Hufeland-Gesellschaft“ erhielt. Zwölf Jahre hindurch hatte auch Hufeland mit anderen Kollegen zusammen die besten Aufsätze französischer Ärzte gesammelt und in deutscher Sprache herausgegeben.
Als Direktor der Charit^ stellte Hufeland 1821 eine Preisaufgabe über die „Wirksamkeit kalter Bäder in der Behandlung fieberhafter Krankheiten“. Den ersten Preis erhielt der Wiener Hofmedikus Anton Fröhch von Frölichsthal, dessen Arbeit „Abhandlung über die äußerliche Anwendung des kalten Wassers zur Mäßigung des Fiebers“ sich durch eine langgereifte Erfahrung auszeichnete.
Die Arbeitskraft Hufelands scheint unerschöpfhch gewesen zu sein. Trotz eigener gesundheitlicher Störungen ließ er sich nicht davon abhalten, an der rastlosen Vollendung seines Lebenswerkes zu arbeiten. Noch 1836 schrieb er das „Enchiridion medicum“, eine noch heute außerordendich lesenswerte Anleitung zur medizinischen Praxis, das Vermächtnis seiner 50jährigen Erfahrung. Es erschien wenige Wochen vor seinem Tode und sollte in seinem Ertrag der Hufeland-Stiftung zugute kommen.
Die Begriffe „Makrobiotik“ und „Hufeland“ sind für alle Zeiten zu einer Einheit miteinander verschmolzen.
Da Hufeland durch seine Makrobiotik als Klassiker der Naturheilkunde zu werten ist, will ich das Wesentliche daraus hier zur Darstellung bringen.
Die Makrobiotik, d. h. die Lehre, das menschliche Leben zu verlängern, solle die Heilkunde ergänzen. Während diese nur darauf bedacht sei, augenblickliche Störungen im Betriebe des Organismus so schnell wie mögheh zu beseitigen, unbekümmert darum, ob ihre Methoden im übrigen das Leben verkürzten, lehre die Makrobiotik die Kunst, ein Leben so lang als mögheh zu erhalten. Es ist interessant, zu sehen, wie Hufeland in der Makrobiotik einem höheren Gesichtspunkt der ärztlichen Behandlung Geltung verschafft, als er in der praktischen Heilkunde seiner 2 eit und vielleicht auch unserer Zeit zum Ausdruck zu kommen scheint. Er sagt: „Die Medizin muß jede Krankheit als ein Übel ansehen, das nicht bald genug weggeschafft werden kann, die Makrobiotik zeigt, daß manche Krankheiten Verlängerungen des Lebens werden können.“
Die Krankheit sei ein wohltuendes Mittel, um eine Gleichgewichtsstörung auszugleichen. Hufeland rät deshalb sehr dazu, dem Medikament gegenüber zurückhaltend zu sein. Wir sehen, Hufeland betrachtet die Krankheit nicht als eine unbedingte Feindin des Lebens, ja, er behauptet, daß unter ihrem Einfluß das gefährdete Leben erhalten und manchmal sogar verlängert werden könne. Eine „Heilung“ durch ein Medikament trage zuweilen sehr zur Verkürzung des Lebens bei.
Die Makrobiotik geht von dem Begriff der Lebenskraft aus. Jeder Mensch habe seine individuelle, persönliche Lebenskraft, die sich von der anderer Menschen der Größe nach sehr unterscheidet. Wenn man das menschliche Leben zu einem langwährenden und geschützten ausgestalten wolle, dann müsse man einerseits alles vermeiden, was der Lebenskraft schaden könne, andererseits alles anwenden, was sie anrege und fördere.
Die natürlichen Reize des Lichtes und der Luft, der Wärme und des Wassers hätten einen wohltuenden Einfluß auf die Lebenskraft.
Auf Veranlassung von Hufeland schrieb Immanuel Kant 1794 sein noch immer sehr lesenswertes Büchlein: „Von der Macht des Gemütes, durch den bloßen Vorsatz seiner krankhaften Gefühle Meister zu sein.“ Dazu verfaßte Hufeland die Vorrede, in der er die Macht des Geistes als gesund erhaltende und gesund machende Kraft preist. Kant sagt, man könne nicht nur eine Schlaflosigkeit durch die Ablenkung der Aufmerksamkeit beseitigen, sondern auch Gichtanfälle durch den Einfluß des Geistes aufheben.
Zum Schluß sei noch einiges zu dem bemerkt, was Hufeland über die Behandlung von Krankheiten und über die Vorbeugung denkt.
Die wichtigsten Krankheitsursachen, die man meiden müsse, seien Unmäßigkeiten im Essen und Trinken.
Man achte besonders auch auf die Krisen, mit denen der Körper seine Krankheit selbst überwinde, und unterstütze sie. Dabei könne man mit dem kalten und warmen Wasser besonders nützlich sein. Die Arzneimittel wirkten dadurch, daß sie eine künstliche Krankheit hervorriefen. Jede Krankheit sei aber immer mit Erhitzung und Kräfteverlust verbunden. Sei nun das Arzneimittel angreifender als die Krankheit, so habe man zwar den Kranken gesund gemacht, habe ihn aber mehr geschwächt und also sein Leben mehr verkürzt, als die Krankheit für sich allein es getan haben würde. Dies sei regelmäßig der Fall, wenn man bei den geringsten Vorfällen gleich die heftigsten und heroischsten Mittel anwende. Es gebe sehr viele Krankheiten, welche nichts anderes seien als ein Bestreben der Natur, das aufgehobene Gleichgewicht wiederherzustellen, fehlerhafte Materien auszuleeren oder Stockungen zu zerteilen.
In der Überschrift zu diesem Kapitel wurde Hufeland als letzter Vollarzt bezeichnet. Was bedeutet das? Nimmt man eine Medizingeschichte zur Hand, so findet man darin Hufeland verhältnismäßig kurz und etwas geringschätzig als „Eklektiker“ behandelt. Man will damit sagen, daß es Hufeland verstanden habe, sich von überallher die guten und wertvollen Gedanken anzueignen. Diese Kennzeichnung wird aber Hufeland nicht gerecht. Es ist einerseits zwar ein Verdienst von ihm, der sich doch in einer ganz bedeutenden und einzigartigen Stellung befand, daß er sich den Volksmethoden der Homöopathie, des Magnetismus und der Wasserheilkunde offenhielt und daß er versuchte – leider vergeblich die Schulmedizin davor zu bewahren, zu dieser Volksheilkunde in einen offenen Gegensatz zu kommen. Andererseits reicht aber die Bedeutung Hufelands viel weiter. Er hat die Krankheitslehre und die Auffassung des Hippokrates vom ärztlichen Künstlertum neu belebt, er anerkannte die Naturheilkraft, das sinnvolle und gerechte Walten einer geistigen Kraft im menschlichen Organismus. Er ließ das Recht dem Körper neben der Seele, der Natur neben Gott, dem äußeren Arzt neben dem inneren. Hufeland ist demütig genug, nur im Sinne einer zurückhaltenden Unterstützung dem inneren Heilvorgang zu dienen. Unter den Mitteln dieser Unterstützung stehen bei ihm die natürlichen in erster Linie, die Medikamente in zweiter.
In einer Zeit, da man anfing, sich mit physikalischen, chemischen, physiologischen und pathologischen Forschungen stärker zu beschäftigen und da die Aufmerksamkeit des ärztlichen Forschers immer mehr auf die Bedeutung einzelner Organe und Organtätigkeiten gerichtet wurde, lehrte Hufeland die Ganzheitsbetrachtung des Menschen. Er sah im Menschen und im Leben überhaupt etwas, was sich niemals innerhalb eines Laboratoriums würde vollkommen erkennen lassen. In dem Sinne ist Hufeland Vollarzt, als er die Beachtung einer harmonischen Ordnung im menschlichen Leben lehrte und zeigte, als er die wertvollen Volksmethoden zu verstehen und sich anzueignen trachtete, als er mutig für ihr Verstehen eintrat und als er in der Ausübung seines ärztlichen Berufes sich als Mensch dem Menschen gab. Während er die große und herrliche Vergangenheit der Heilkunde in sich zur Blüte brachte, blieb er keineswegs den neuen Errungenschaften der Medizin verschlossen. In ihm treffen sich Vergangenheit und Zukunft, Alterprobtes mit hoffnungsvoller Neuheit. Über allem aber bleibt er Mensch und Persönlichkeit. Er ist uns das Sinnbild des alten und gütigen Hausarztes, der innerhalb einer Familie nicht nur die Sorge um den Leib kennt, sondern am allgemeinen Ergehen Anteil nimmt. Während sich in der nächsten Zukunft der heilkundlichen Entwicklung das Spezialistentum immer mehr und verhängnisvoll in den Vordergrund drängte, haben wir in Hufeland den Arzt zu sehen, der über alle Einzelkenntnisse und -erfahrungen hinweg eine Zusammenfassung des Heilwissens in bester Form vertrat.