Die zwei „Wasserhähne“

Siegmund Hahn, 1664-1742, war Doktor der Medizin, praktizierenderArzt und Stadtphysikus in Schweidnitz (Schlesien). Er ist Ausgangspunkt sowohl der naturheilkundlichen als auch der wissenschaftlichen Wasserheilkunde in Deutschland. Es ist natürlich schwer nachzuweisen, wieweit Prießnitz von ihm beeinflußt war. Aus der Nähe der beiden Wirkungsstätten und aus der Ähnlichkeit der Kuranwendungen läßt sich jedoch schließen, daß, bewußt oder unbewußt, direkt oder auf Umwegen, 100 Jahre später Prießnitz unter dem geistigen Einflüsse von Siegmund Hahn gestanden hat.

Seine medizinischen Studien wickelte Siegmund Hahn in Leipzig und im holländischen Leyden ab. In Schweidnitz erwarb er eine große Praxis, überallhin wurde er zur Beratung zugezogen. Seinem Sohn Johann Gottfried, der an einem schweren Unterleibstyphus, dem sogenannten Nervenfieber, erkrankt war, rettete er durch eine Kaltwasserkur Leben und Gesundheit. Dieser Sohn Johann Gottfried wird praktizierender Arzt und Adjunkt an der Leopoldinisch Carolinischen Akademie in Breslau.

Die schriftstellerische Tätigkeit von Dr. Siegmund Hahn begann 1732, als er in seinem „Peterswalder Gesundbrunnen“ für die Anerkennung und Verbreitung der Kaltwasserkur eintrat.

Der älteste Sohn Siegmund Hahns, Johann Siegmund Hahn, 1696-1773, war praktizierender Arzt und als Stadtphysikus in Schweidnitz Nachfolger seines Vaters. Sein Verdienst besteht darin, daß er das Lebenswerk seines Vaters Siegmund fortsetzte und durch sein klar geschriebenes Buch in weiten Kreisen für dies Lebenswerk zu werben vermochte. Wenn wir im folgenden die wissenschaftlichen Erkenntnisse und die Ergebnisse der praktischen Erfahrungen darstellen, können wir die Lebensarbeit von Vater und Sohn Hahn zusammenfassen. Sie stellen zusammen eine Einheit dar, die nicht mehr getrennt werden kann. Was wir sagen, gilt sowohl für den Vater wie für den Sohn. Wenn man ihre Bücher liest, ist man erstaunt über die Fülle der einzelnen Beobachtungen und Anregungen, und jeder, der sich etwas genauer mit der Geschichte der Naturheilkunde beschäftigen will, muß bei Hahn beginnen, um dort die meisten der später vollentwickelten Methoden der Wasserbehandlung wenigstens in ihren Ansätzen vorzufinden. Um seine Erfolge zu beweisen, berief sich Hahn auf die „Stadtzettel“, d. h. auf die Krankenmeldungen, die er als Stadtphysikus wöchentlich der Stadtgemeinde Schweidnitz einzureichen hatte und die in zunehmendem Maße die Hebung des allgemeinen Gesundheitszustandes und den Rückgang der Krankheiten nachwiesen. Hahn war, wie auch Floyer, der Ansicht, daß in künftigen Jahrhunderten „ein jeglicher Medicus ein Kaltbader“ werden würde.

Nicht nur zu äußerem, sondern auch zu innerem Gebrauch eigne sich das kalte Wasser. Hahn empfiehlt, es täglich beim Aufstehen, während und nach dem Essen, beim Schlafengehen und beim Aufwachen in der Nacht zu trinken. Das errege guten Appetit, das Wassertrinken mache, wie schon Hippokrates gesagt habe, „gefräßig“. Jeder Durst solle immerund überall durch kaltes Wasser gelöscht werden.

Hahn vertrat den Standpunkt, daß das, was den Gesunden kräftig erhalte und ihn vor Unpäßlichkeiten bewahre, um soviel mehr dem Erkrankten diene zur Wiederherstellung seiner Gesundheit. Damit hat er einen der Hauptgrundsätze der modernen Naturheilkunde vorausgenommen, den wir bei Kneipp wiederfinden und der aussagt: Was den Gesunden gesund erhält, macht auch den Kranken wieder gesund.

Von den Medikamenten hielt Hahn nicht viel: ja, er war ein ausgesprochener Gegner von ihnen. Er sagte, viele Medikamente seien überflüssig und schädlich, das kalte Wasser allein kräftige den Kranken und bewirke eine wahrhafte Aufräumungskur.

Hahn erkannte die große Bedeutung der Haut. Er weiß von ihr, daß sie nicht nur Körperdecke ist, sondern mit allen inneren Organen in einer lebendigen Verbindung steht. Er sagt, durch sie kämen schädliche Säfte zur Ausdämpfung und von ihrem Zustande hänge sehr die Verfassung der inneren Organe und deren Gesundheit ab. Salbe, die man gegen Hautausschläge anwende, vermöge zwar einen Ausschlag rasch zu beseitigen, sie verhindere aber eine eigentliche und gründliche Reinigung der Säfte. Ein durch Salbe in den Körper zurückgedrängter Ausschlag mache „Blindheit, Taubheit, Atemstechen,

Seitenstechen, Brustentzündung, Epilepsie oder Läh-migkeit“. Wenn man einen Hautkranken mit Salbe behandle, ohne das Wasser anzuwenden, tue man ihm ein Unrecht an. Besser als jedes Präparat zur Hautpflege sei das kalte Wasser, und eine „bessere Schminke“ als das kalte Wasser gebe es überhaupt nicht. Die entgiftende und ausscheidende Tätigkeit der Haut äußere sich in der Ausdämpfung, im Schweiß und schließlich im Hautausschlag. Das Wasser reinige die Poren und erleichtere dadurch die Ausscheidung. Grind und Schorf müsse man gründlich mit Wasser behandeln, damit sie natürlich abheilten. Man dürfe sie nicht durch Salben wieder in den Organismus zurückdrängen und dadurch dessen Säfte verderben.

Die Bedeutung Hahns wird wesentlich erhöht dadurch, daß er auch der Diät eine genügende Beachtung schenkte. Hahn bezeichnet das frische Obst als eine treffliche Medizin, besonders Kirschen, Pflaumen, Pfirsiche und Weintrauben. Menstruationsstörungen und Hautausschläge machten einen besonders starken Verbrauch von Obst in der täglichen Nahrung erforderlich. Überhaupt, meint Hahn, müsse man beim Kaltbaden eine „gemäßigte, kühle Diät“ beobachten, kühlende, nicht erhitzende Getränke verwenden und einen ausführlichen Gebrauch von kühler Luft machen. Einen Kranken mit Fußgicht Heß Dr. Hahn 22 Tage nur Wasser trinken und machte ihn damit gesund. Man ist versucht zu sagen, daß Hahn das Fasten und die Rohkost in ihrer überragenden Bedeutung vorausgeahnt hat.

Äußerlich wandte Hahn neben den Umschlägen mit kaltem Wasser mit überraschender Wirkung Quarkaufschläge an, und zwar gegen Schwellungen, Gichtknoten, Fingertuberkulose, Geschwülste und andere „böse Schäden“.

Neben den richtigen Speisen, der äußeren und inneren Verwendung des kalten Wassers, der ausgiebigen Bewegung spielte in der Therapie Hahns auch das „luftige Verhalten“ eine große Rolle, womit er auf die Bedeutung der frischen Luft für die Atmungsorgane und den Gesamtorganismus nachdrücklich hingewiesen hat. Selbst Fiebernde sollten sich beliebig aufdecken und, sobald sie das Bedürfnis danach empfanden, von der kühlen Luft ihren Körper umspülen lassen. Selbst Durch2ug schade dabei nicht. -Die Hoffnung, welche die beiden Hahn hegten, daß ihre glücklichen Wasserkuren die Ärzte nachhaltig beeinflussen würden und daß im kommenden Jahrhundert jeder Arzt die Methode der Wasseranwendung in erster Linie beherrschen würde, ist leider nicht in Erfüllung gegangen. Ja, unter dem Einflüsse der naturwissenschaftlichen Lebens- und Krankheitsbetrachtung entfernten die Ärzte sich von dem gemeinen Wasser mehr und mehr und lernten andere Methoden bewundern, von denen sie glaubten, daß sie weit über dem Wasser ständen. Die Entfernung des gelehrten Arztes von den natürlichen Methoden war der Ansatzpunkt dafür, daß im kommenden, also im 19. Jahrhundert die Naturheilbewegung einsetzte. Da der Arzt den natürlichen Methoden gegenüber versagte, mußten Laien die Führung an sich reißen; wir sehen, daß geniale Behandler aus dem Volk aufstehen, die das, was Dr. Hahn erkannt und geübt hatte und was vor ihm Hunderte von Ärzten zum Gegenstand ihrer Lebensarbeit genommen hatten, in einer wunderbaren Vollendung zum Aufblühen bringen. Wenn wir aber beglückt die weitreichende Wirksamkeit eines Vinzenz Prießnitz, eines Sebastian Kneipp betrachten, so dürfen wir darüber nicht diese tapferen Schweidnitzer Wasserärzte vergessen, die ihre ganze Kraft einsetzten, um die Methode der natürlichen Behandlung für alle Ärzte maßgebend zu gestalten.

Der letzte Vollarzt

Hufeland wurde am 12. August 1762 in Langensalza in Thüringen geboren. Wie Hippokrates entstammt er einem Geschlecht von Ärzten.

Vom dritten Lebensjahr an wuchs Hufeland in Weimar auf, sein Medizinstudium führte ihn nach Jena und Göttingen. Nach Ablegung seiner Doktorprüfung mit einer Arbeit über „Anwendung der Elektrizität bei Scheintoten“ (1783), mußte der junge Arzt sofort in Weimar die Praxis seines fast erblindeten Vaters übernehmen, die er zehn Jahre ausübte.

Während seiner Tätigkeit als praktizierender Arzt in Weimar nahm er regelmäßig an den Abendgesellschaften im Goetheschen Hause teil und trat in freundschaftliche Beziehungen zu Goethe, Schiller, Wieland, Herder, Fichte, Schleiermacher, Jean Paul, die alle auch von ihm ärztlich behandelt wurden, wenn es nötig war.

Sehr bald zeigte es sich, daß Hufeland für die öffentliche Gesundheitspflege ein besonderes Interesse hatte. Beschäftigte er sich schon in seiner Doktorarbeit mit dem Scheintode, so bemühte er sich späterhin, durch Errichtung von Leichenschauhäusern das Lebendigbegrabenwerden zu verhindern.

Ein Teil der öffentlichen Gesundheitspflege galt auch der Bekämpfung der Pocken, zu deren Überwindung Hufeland die Absonderung der Kranken vorschlug, um dadurch die Ansteckung der Umgebung und damit die Weiterverbreitung der Krankheit zu verhindern.

Dem Einfluß Goethes war es zu verdanken, daß Hufeland von seiner Tätigkeit als praktizierender Arzt hinweg durch den Herzog von Weimar 1793 zum Professor der Medizin an der Universität Jena mit dem Titel eines Herzoghchen Weimarischen Hofrates und Leibarztes ernannt wurde. Er begann damit sein überaus fruchtbares Amt als Lehrer der Heilkunde, in dem er schnell eine große Anziehungskraft auf seine Hörer ausübte. Besonders seine Vorlesungen über Lebensordnung und Lebensverlängerung interessierten die Allgemeinheit sehr und zogen oft nicht weniger als 500 Hörer an.

Berufungen ergingen an ihn von den Universitäten Kiel, Leipzig, Pavia, ja, der Kaiser von Rußland wollte ihn zum Leibarzt haben. Alles schlug er aus, aber 1800 nahm er doch eine Berufung nach Berlin an, die ihn zum Leibarzt des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III., zum Mitglied der Akademie der Wissenschaften, zum Ersten Arzt der Charite und zum Direktor der ärztlichen Prüfungskommission machte.

Zur Familie der preußischen Königs trat Hufeland in nahe menschliche Beziehung. Als die Franzosen 1806 nach der Schlacht bei Jena Berhn bedrohten, ließ Hufeland seine Familie in Berhn zurück und folgte dem Königspaar nach Ostpreußen, wo ja besonders die Königin seiner ärztlichen Kunst und Fürsorge bedurfte.

Gleich nach Beginn seiner Tätigkeit an der Charite in Berhn regte Hufeland die Gründung einer Poliklinik für innerlich Kranke an, um den Armen der Stadt Gelegenheit zu geben, an der Quelle des besten Wissens und Könnens unentgeltlich behandelt zu werden. Über die den Armen zu verabreichenden Heilmittel verfaßte er selbst ein Buch.

Der Arzt müsse vor allem, sagt Hufeland, die Geschichte seines Faches studieren, um ein richtiges Urteil für die Gegenwart zu haben. Die Geschichte der Medizin sei die beste Lehrmeisterin für die Unterscheidung des Wertvollen vom Unbrauchbaren. Er setzte sich deshalb dafür ein, daß an der Universität in Berhn eine Professur für Geschichte der Medizin errichtet wurde.

1810 war Hufeland selbst zum Professor der speziellen Pathologie und Therapie an der neuerrichteten Universität ernannt worden, der auch Schleiermacher und Fichte angehörten. Während der Vater Hufeland erster Professor und erster Dekan der medizinischen Fakultät an der Universität wurde, begann der Sohn Hufeland als erster Student der Medizin in Berhn seine ärztliche Laufbahn.

In gesundheitlicher Beziehung war Hufeland selbst mancherlei Belastungen ausgesetzt. Schon während seiner Tätigkeit in Jena hatte er ein Auge eingebüßt, von 1830 an machte sich auf dem übtiggebliebenen Auge eine zunehmende Erblindung bemerkbar.

1831 traten Blasenstörungen auf, die nach vorübergehender Besserung jedoch wieder stärker wurden. Es mußte operativ eine Blasenfistel angelegt werden. Am 25. August 1836 wurde Hufeland durch den Tod von allen irdischen Ämtern und Aufgaben abberufen.

Hufeland war einer der vollkommensten Männer seiner Zeit und der letzte große Volksarzt, der die bewährten Methoden der Volksheilkunde mit den neuesten Forschungen der Wissenschaft in glücklicher Harmonie zu verbinden vermochte. Er war der Ergründung der Wahrheit ebenso ergeben wie dem Dienst am Nächsten. In seinem Benehmen war er freundlich-umgänglich, volksverbunden, in seinem Denken klar, vernünftig, durchsichtig. Eine liebevolle Fürsorge und freundliche Anteilnahme als Arzt ließ er bis in sein hohes Alter auch dem Geringsten angedeihen. Hervorzuheben sind weiter ebenso seine aufgeschlossene freundliche Art den Berufsgenossen gegenüber, wie seine echte und wahre Frömmigkeit.

Wie Arndt, Fichte und andere echte Deutsche hat Hufeland als eine der erfreulichsten Erscheinungen der Geschichte seiner Zeit zu gelten.

Das Hauptverdienst Hufelands liegt in seiner praktischen ärztlichen Leistung und in seiner Fürsorge für die öffentliche Gesundheit. Er ist kein geistiger Reformator der Heilkunde, und seine Bedeutung als ärztlicher Schriftsteller wird nicht als überragend bezeichnet. Doch war er mit der Feder außerordenthch fruchtbar. Er hat nicht nur die Ärzte seiner Zeit beeinflußt, sondern in die breite Masse des Volkes hinein gewirkt.

1785 erschien als eine seiner ersten Arbeiten im „Deutschen Merkur“ ein Aufsatz von ihm über „Mesmer und der Magnetismus“. Hufeland glaubte zunächst, das meiste in der Wirksamkeit des Magnetismus auf Täuschung zurückführen zu müssen, forderte aber doch, daß man seine Grundlagen erforsche und Mißbrauch verhindere. Als er ein Vierteljahrhundert später noch einmal das Wort über dieselbe Frage ergriff, sprach er sich günstiger über den tierischen Magnetismus aus, riet nur zu seiner vorsichtigen Anwendung.

Der Erfolg seiner Jenaer Vorlesungen veranlaßte ihn 1795, erstmalig seine Gedanken über die Bedeutung der Lebensordnung zusammenzufassen in einem Buch, das seinen Namen bis in die heutige Zeit hinein lebendig erhalten hat: „Die Kunst, das menschliche Leben zu verlängern.“ Dieses Buch wurde rasch in viele Sprachen, sogar bald ins Chinesische übersetzt und erlebte viele und schnelle Auflagen hintereinander. Von der dritten Auflage (1805) an führte es den Haupttitel „Makrobiotik“, unter dem wir es heute noch in den Bibliotheken finden.

Sein medizinisches Glaubensbekenntnis legte er ab in einem Handbuch, das er „System der praktischen Heilkunde“ nannte. Darin bekennt sich Hufeland im wesentlichen zur Krankheitsauffassung und Säftelehre des Hippokrates.

Hufeland meint, daß der ewige Kampf in der Heilkunde zwischen ärztlicher Wissenschaft und ärztlicher Kunst nur dadurch überwunden werden könne, daß man den goldenen Mittelweg zwischen Spekulation und Erfahrung gehe. Den Organismus begreift Hufeland als ein Ganzes und Zusammenhängendes. Die einzelnen Teile des Körpers hingen nach dem Gesetz der Sympathie miteinander zusammen. Träger dieser Sympathie sei das Nervensystem, durch dessen Vermittlung die Organe ihre Erregung gegenseitig austauschten.

Von den Eigenschaften und Pflichten des richtigen Arztes hatte Hufeland eine sehr hohe Vorstellung. Er schreibt darüber wörtlich: „Der Trieb, den Leidenden zu helfen, war die erste Quelle der Heilkunst, und auch heute muß er es bleiben, wenn die Kunst rein und edel und für den Künstler sowie für die Menschheit wahrhaftig beglückend sein soll. Leben für andere, nicht für sich, das ist das Wesen seines Berufes.“

Arzt und Kranker, sagt Hufeland, müssen in lebendiger Wechselwirkung zueinander stehen. Der Kranke müsse während der vom Arzt weise gelenkten Aussprache zur Erkenntnis seines Zustandes kommen, und der zur Einfühlung begabte Arzt müsse den vom Kranken innerhch geforderten Heilweg erkennen und vorschlagen. „Die Hauptsache in der Medizin besteht darin, das Urteil über die Krankheit und über das Heilverfahren aus dem Kranken heraus, nicht in den Kranken hinein zu tragen,“

Im „Journal der praktischen Heilkunde“ erschienen auch die Berichte der „Medizinisch-Chirurgischen Gesellschaft“, die Hufeland 1810 gründete und die 1833, bei Gelegenheit seines 50jährigen Doktorjubiläums, den Namen „Hufeland-Gesellschaft“ erhielt. Zwölf Jahre hindurch hatte auch Hufeland mit anderen Kollegen zusammen die besten Aufsätze französischer Ärzte gesammelt und in deutscher Sprache herausgegeben.

Als Direktor der Charit^ stellte Hufeland 1821 eine Preisaufgabe über die „Wirksamkeit kalter Bäder in der Behandlung fieberhafter Krankheiten“. Den ersten Preis erhielt der Wiener Hofmedikus Anton Fröhch von Frölichsthal, dessen Arbeit „Abhandlung über die äußerliche Anwendung des kalten Wassers zur Mäßigung des Fiebers“ sich durch eine langgereifte Erfahrung auszeichnete.

Die Arbeitskraft Hufelands scheint unerschöpfhch gewesen zu sein. Trotz eigener gesundheitlicher Störungen ließ er sich nicht davon abhalten, an der rastlosen Vollendung seines Lebenswerkes zu arbeiten. Noch 1836 schrieb er das „Enchiridion medicum“, eine noch heute außerordendich lesenswerte Anleitung zur medizinischen Praxis, das Vermächtnis seiner 50jährigen Erfahrung. Es erschien wenige Wochen vor seinem Tode und sollte in seinem Ertrag der Hufeland-Stiftung zugute kommen.

Die Begriffe „Makrobiotik“ und „Hufeland“ sind für alle Zeiten zu einer Einheit miteinander verschmolzen.

Da Hufeland durch seine Makrobiotik als Klassiker der Naturheilkunde zu werten ist, will ich das Wesentliche daraus hier zur Darstellung bringen.

Die Makrobiotik, d. h. die Lehre, das menschliche Leben zu verlängern, solle die Heilkunde ergänzen. Während diese nur darauf bedacht sei, augenblickliche Störungen im Betriebe des Organismus so schnell wie mögheh zu beseitigen, unbekümmert darum, ob ihre Methoden im übrigen das Leben verkürzten, lehre die Makrobiotik die Kunst, ein Leben so lang als mögheh zu erhalten. Es ist interessant, zu sehen, wie Hufeland in der Makrobiotik einem höheren Gesichtspunkt der ärztlichen Behandlung Geltung verschafft, als er in der praktischen Heilkunde seiner 2 eit und vielleicht auch unserer Zeit zum Ausdruck zu kommen scheint. Er sagt: „Die Medizin muß jede Krankheit als ein Übel ansehen, das nicht bald genug weggeschafft werden kann, die Makrobiotik zeigt, daß manche Krankheiten Verlängerungen des Lebens werden können.“

Die Krankheit sei ein wohltuendes Mittel, um eine Gleichgewichtsstörung auszugleichen. Hufeland rät deshalb sehr dazu, dem Medikament gegenüber zurückhaltend zu sein. Wir sehen, Hufeland betrachtet die Krankheit nicht als eine unbedingte Feindin des Lebens, ja, er behauptet, daß unter ihrem Einfluß das gefährdete Leben erhalten und manchmal sogar verlängert werden könne. Eine „Heilung“ durch ein Medikament trage zuweilen sehr zur Verkürzung des Lebens bei.

Die Makrobiotik geht von dem Begriff der Lebenskraft aus. Jeder Mensch habe seine individuelle, persönliche Lebenskraft, die sich von der anderer Menschen der Größe nach sehr unterscheidet. Wenn man das menschliche Leben zu einem langwährenden und geschützten ausgestalten wolle, dann müsse man einerseits alles vermeiden, was der Lebenskraft schaden könne, andererseits alles anwenden, was sie anrege und fördere.

Die natürlichen Reize des Lichtes und der Luft, der Wärme und des Wassers hätten einen wohltuenden Einfluß auf die Lebenskraft.

Auf Veranlassung von Hufeland schrieb Immanuel Kant 1794 sein noch immer sehr lesenswertes Büchlein: „Von der Macht des Gemütes, durch den bloßen Vorsatz seiner krankhaften Gefühle Meister zu sein.“ Dazu verfaßte Hufeland die Vorrede, in der er die Macht des Geistes als gesund erhaltende und gesund machende Kraft preist. Kant sagt, man könne nicht nur eine Schlaflosigkeit durch die Ablenkung der Aufmerksamkeit beseitigen, sondern auch Gichtanfälle durch den Einfluß des Geistes aufheben.

Zum Schluß sei noch einiges zu dem bemerkt, was Hufeland über die Behandlung von Krankheiten und über die Vorbeugung denkt.

Die wichtigsten Krankheitsursachen, die man meiden müsse, seien Unmäßigkeiten im Essen und Trinken.

Man achte besonders auch auf die Krisen, mit denen der Körper seine Krankheit selbst überwinde, und unterstütze sie. Dabei könne man mit dem kalten und warmen Wasser besonders nützlich sein. Die Arzneimittel wirkten dadurch, daß sie eine künstliche Krankheit hervorriefen. Jede Krankheit sei aber immer mit Erhitzung und Kräfteverlust verbunden. Sei nun das Arzneimittel angreifender als die Krankheit, so habe man zwar den Kranken gesund gemacht, habe ihn aber mehr geschwächt und also sein Leben mehr verkürzt, als die Krankheit für sich allein es getan haben würde. Dies sei regelmäßig der Fall, wenn man bei den geringsten Vorfällen gleich die heftigsten und heroischsten Mittel anwende. Es gebe sehr viele Krankheiten, welche nichts anderes seien als ein Bestreben der Natur, das aufgehobene Gleichgewicht wiederherzustellen, fehlerhafte Materien auszuleeren oder Stockungen zu zerteilen.

In der Überschrift zu diesem Kapitel wurde Hufeland als letzter Vollarzt bezeichnet. Was bedeutet das? Nimmt man eine Medizingeschichte zur Hand, so findet man darin Hufeland verhältnismäßig kurz und etwas geringschätzig als „Eklektiker“ behandelt. Man will damit sagen, daß es Hufeland verstanden habe, sich von überallher die guten und wertvollen Gedanken anzueignen. Diese Kennzeichnung wird aber Hufeland nicht gerecht. Es ist einerseits zwar ein Verdienst von ihm, der sich doch in einer ganz bedeutenden und einzigartigen Stellung befand, daß er sich den Volksmethoden der Homöopathie, des Magnetismus und der Wasserheilkunde offenhielt und daß er versuchte – leider vergeblich die Schulmedizin davor zu bewahren, zu dieser Volksheilkunde in einen offenen Gegensatz zu kommen. Andererseits reicht aber die Bedeutung Hufelands viel weiter. Er hat die Krankheitslehre und die Auffassung des Hippokrates vom ärztlichen Künstlertum neu belebt, er anerkannte die Naturheilkraft, das sinnvolle und gerechte Walten einer geistigen Kraft im menschlichen Organismus. Er ließ das Recht dem Körper neben der Seele, der Natur neben Gott, dem äußeren Arzt neben dem inneren. Hufeland ist demütig genug, nur im Sinne einer zurückhaltenden Unterstützung dem inneren Heilvorgang zu dienen. Unter den Mitteln dieser Unterstützung stehen bei ihm die natürlichen in erster Linie, die Medikamente in zweiter.

In einer Zeit, da man anfing, sich mit physikalischen, chemischen, physiologischen und pathologischen Forschungen stärker zu beschäftigen und da die Aufmerksamkeit des ärztlichen Forschers immer mehr auf die Bedeutung einzelner Organe und Organtätigkeiten gerichtet wurde, lehrte Hufeland die Ganzheitsbetrachtung des Menschen. Er sah im Menschen und im Leben überhaupt etwas, was sich niemals innerhalb eines Laboratoriums würde vollkommen erkennen lassen. In dem Sinne ist Hufeland Vollarzt, als er die Beachtung einer harmonischen Ordnung im menschlichen Leben lehrte und zeigte, als er die wertvollen Volksmethoden zu verstehen und sich anzueignen trachtete, als er mutig für ihr Verstehen eintrat und als er in der Ausübung seines ärztlichen Berufes sich als Mensch dem Menschen gab. Während er die große und herrliche Vergangenheit der Heilkunde in sich zur Blüte brachte, blieb er keineswegs den neuen Errungenschaften der Medizin verschlossen. In ihm treffen sich Vergangenheit und Zukunft, Alterprobtes mit hoffnungsvoller Neuheit. Über allem aber bleibt er Mensch und Persönlichkeit. Er ist uns das Sinnbild des alten und gütigen Hausarztes, der innerhalb einer Familie nicht nur die Sorge um den Leib kennt, sondern am allgemeinen Ergehen Anteil nimmt. Während sich in der nächsten Zukunft der heilkundlichen Entwicklung das Spezialistentum immer mehr und verhängnisvoll in den Vordergrund drängte, haben wir in Hufeland den Arzt zu sehen, der über alle Einzelkenntnisse und -erfahrungen hinweg eine Zusammenfassung des Heilwissens in bester Form vertrat.

Hippokrates

Hippokrates ist Anfang und Ende einer geschichtlichen Entwicklungsreihe, er ist Vergangenheit und Gegenwart zugleich. Heute wieder sprechen wir davon, daß wir einer hippokratischen Heilkunde zustreben wollen, obwohl der Mann, auf den wir neuzeitlichen Ärzte uns berufen, 2500 Jahre vor uns gelebt hat.

Hippokrates wurde auf Kos, einer Insel in der Nähe der kleinasiatischen Küste, geboren und lebte von 460 bis 377 v. Chr. Er gehörte dem Geschlecht der Asklepiaden an, das seine Herkunft auf Asklepios, den Gott der Heilkunst, zurückführte und in seiner Familienüberlieferung das medizinische Heilwesen pflegte.

Hippokrates wuchs als Sohn eines Arztes und als Mitglied eines Arztgeschlechts im Wissen und in der Erfahrung um die Heilkunde auf und wurde selbst zum Arzt ausgebildet. Nach Vollendung seiner Studien übte er, wie viele seiner Kollegen im fünften Jahrhundert v. Chr., seine Kunst auf der Wanderschaft durch ganz Griechenland aus. An zahlreichen Orten hat er als Arzt gewirkt. In den „Gesprächen“ Platons wird seiner als eines berühmten Arztes Erwähnung getan.

Hippokrates ist nicht Anfang der Heilkunde. Das, was er uns überliefert hat, haben schon Jahrhunderte vor ihm geschaffen. Die heilkundlichen Erfahrungen der Ägypter, Babylonier und Inder müssen ihm zugeströmt sein.

Reiche eigene Erfahrung und Gedankenarbeit haben das überlieferte Material jedoch gesichtet, geordnet, erweitert, eine große Zahl von Schülern hat ihren Fleiß hinzugefügt, und so entstand im Laufe vieler Jahre ein ärztliches Schrifttum, in dem die Arbeiten des Meisters mit denen seiner Schüler und Anhänger vermischt worden sind. Die geistige Hinterlassenschaft des Hippokrates ist deshalb nicht als Werk eines einzelnen, sondern vielmehr als das einer großen Ärztegruppe zu werten. Wir finden hier denselben Vorgang, wie er bis in die neueste Zeit zu beobachten ist: ein Genie macht „Schule“, gleichviel ob es sich um Medizin, Philosophie oder Kunst handelt.

Die Schule von Kos vertrat unter dem Einfluß von Hippokrates die Lehre, Heilkunde sei ärztliche Kunst. Sie pflegte die große Überschau über das Geschehen in Krankheitstagen und widmete der Natur des einzelnen die größte Aufmerksamkeit. Vom Arzt wurde nicht nur Ausbildung, sondern künstlerische Begabung verlangt. Zum Arzt müsse man, wie zum Künstler, geboren sein. Über diese Auffassung des Hippokrates sind uns einige Aussprüche erhalten gebheben: „Von allen Künsten ist die ärztliche Kunst die vornehmste“ und „Gleich allen anderen Künsten sind auch hier in der ärztlichen Kunst die Künsder in bezug auf Geschicklichkeit der Hand und geistige Erfassung wesentlich voneinander verschieden“.

Das, was an der Heilkunde lehrbar und lernbar sei, das seien Krankheitserkennung (Diagnostik) und Krankheitsvoraussage (Prognostik). Nicht dagegen lehrbar sei die Fähigkeit, einen Kranken zum Gesundwerden hinzuführen. Das sei Ausdruck ärztlicher Kunst und als solche angeboren wie jede andere Kunst.

Hippokrates erkannte also klar: Während der wissenschaftliche Arzt die Behandlung nach festen Regeln und Gesetzen leitet, die gleichen Krankheiten bei verschiedenen Menschen immer gleich behandelt, weil er sich nach der Krankheit und nicht nach dem kranken Menschen richtet, kennt zwar auch der künstlerisch eingestellte Arzt aus seiner Krankheitslehre heraus allgemeine Behandlungsregeln, darüber hinaus aber behandelt er von Fall zu Fall, je nach den im Augenblick vorliegenden Besonderheiten, nach der freien Intuition. Gesetze und Regeln verlangen Wissen, Intuition dagegen setzt künstlerische Begabung voraus. Vom Arzt dürfe man nicht nur Kenntnisse und Erfahrungen verlangen, sondern der Arzt müsse in erster Linie Persönlichkeit sein, verlangt Hippokrates. Zur Entwicklung dieser Persönlichkeit trage nichts mehr bei als eine philosophische Durchbildung. Von Hippokrates stammt das vielangeführte Wort, daß ein die Philosophie hebender Arzt gottähnlich sei.

Der beste Arzt des Kranken sei seine eigene, in ihm wohnende Lebenskraft. Diese finde aus sich selbst heraus Mittel und Wege, die zur Heilung führen müssen; sie arbeite nicht etwa mit Überlegung, sondern ganz unbewußt in dem Sinne, wie das Blinzeln der Augen und das Schmecken der Zunge natürliche, unbewußte Hilfeleistungen des Körpers in der Abwehr von Schädigungen und Störungen seien. „Ohne Erziehung wirkt die Lebenskraft und ohne Schule leistet sie das Notwendigste.“

Der Kranke müsse sich seinem Leiden unter dem Beistände des Arztes widersetzen, dabei sei es oberstes Gesetz für den Arzt, niemals zu schaden. Er dürfe stets nur auf die Nützlichkeit seiner Behandlung bedacht sein. Dabei müsse der Arzt sich stets klar vor Augen halten, daß ein großer Teil aller Krankheiten, die er zu behandeln habe, auch von selbst ohne seinen Beistand heile.

Ein tüchtiger Arzt, sagt Hippokrates, beruhige stets seinen Kranken. So ernst der Kranke es auch nehme, und so eilig er es auch habe, gesund zu werden, so wenig dürfe der Arzt sich beunruhigen lassen. Es sei nicht genug, wenn der Arzt seine Verordnungen gegeben habe, er müsse sich darüber hinaus bemühen, das im Kranken vorhandene Mißtrauen gegen das Gesundwerden zu beseitigen. Der Arzt müsse auf das Gemüt seines Kranken Einfluß nehmen, er müsse ihn aufmuntern, stets dagegen kämpfen, daß der Kranke sich selbst aufgibt, denn Mut und Heiterkeit des Kranken seien nötige Voraussetzungen für den Eintritt der Gesundheit. „Heiterkeit entlastet das Herz.“

Die Gesundheit erhalte sich durch richtige Mischung der Körpersäfte, sagt Hippokrates. Sobald eine falsche Mischung der Säfte auftrete, entstehe Krankheit; auch wenn die Krankheiten einen verschiedenen Sitz und die verschiedenartigsten Äußerungen hätten, so hege ihnen doch ein und dasselbe Wesen zugrunde, nämlich die falsche Mischung der Säfte.

Als Ursachen für eine fehlerhafte Mischung der Säfte kämen in Frage solche, die vom Willen des Menschen abhängig sind, wie: Schädigung durch die Ernährung, den Beruf und durch ausschweifenden Lebenswandel. In der Behandlung müsse man gerade auf die verschiedenen Altersstufen Rücksicht nehmen, da sie in ihren Bedürfnissen und Reaktionsweisen sehr voneinander abwichen. Die genannten Ursachen führten eine fehlerhafte Mischung der Körpersäfte herbei, d. h. sie störten die Lebensharmonie, riefen ein gestörtes Gleichgewicht der Lebenstätigkeit hervor.

Zur Abwehr und zum Kampf gegen die gestörte Lebensharmonie entwickle der Körper die Krankheit, in deren Sinn und Bedeutung es hege, zu heilen.

Hippokrates faßt also die Krankheit auf als einen Kampf des lebendigen Organismus gegen eine vorangegangene Schädigung, gegen eine Gleichgewichtsstörung.

Die richtige Erkennung und Beurteilung von Krankheiten sei wichtig und wertvoll, aber sie genüge nicht. Der Krankheit voran gehe eine Gleichgewichtsstörung, eine mehr oder weniger schleichende Störung der Lebensharmonie, die sich in Zerschlagenheit, Mattigkeit, Appetitlosigkeit, Reizbarkeit, Schlafsucht und Schmerzen äußern könne. Schon durch ein Mißverhältnis zwischen Nahrungsmenge und körperlicher Ausarbeitung könnten solche Vorboten zustande kommen. Es sei nötig, sie rechtzeitig als solche zu erkennen und zu behandeln, bevor sich noch die Krankheit ganz entwickeln könne. Dieses Vorauserkennen, die Prodiagnostik, stelle an die Beobachtungsgabe, an die Einfühlungsfähigkeit des Arztes große Anforderungen. Sie sei nicht Gegenstand wissenschaftlicher Erkenntnis, sondern vielmehr künstlerischer Veranlagung.

Wenn Krankheiten aus einer falschen Lebensweise entstehen, sagt Hippokrates, so können sie auch durch richtige Lebensweise wieder geheilt werden. Die Behandlung müsse dem Anlaß der Krankheit entgegengesetzt gestaltet werden, d. h. die Lebensweise bedürfe in solchen Fällen der Umstellung.

Die Behandlung erfolgt bei Hippokrates durch Fasten oder Mästen, gesteigerte oder verminderte Aufnahme von Flüssigkeit, Baden oder Nichtbaden, Arbeiten oder Ruhe, Schlafen oder Wachen. Zuviel Schlaf und zuwenig Schlaf seien in der gleichen Weise schädlich. Hippokrates kannte die große Bedeutung der Haut und empfahl ihre Behandlung zu Heilzwecken. Er kannte das Nacktgehen in der Luft (Luftbäder) und versprach sich davon besonders eine Bekämpfung der Fettsucht.

An Arzneien verwandte Hippokrates hauptsächlich pflanzliche Drogen. Er suchte von ihnen sowenig wie möglich Gebrauch zu machen und behandelte in erster Linie mit der Lebensordnung, der Diät im weitesten Sinne des Wortes. Seine Methodik stimmt mit der von der heutigen Naturheilkunde angewandten weitgehend überein.

Hippokrates verordnete Fasten, Vollkornbrot, Obst und Rohgemüse. Wer dies liest, wird zweifelnd den Kopf schütteln. Sind nicht die hier genannten Nahrungsbestandteile und Ernährungsmethoden eine Erkenntnis der allerletzten Zeit? Hat wirklich Hippokrates schon 400 Jahre v. Chr. vom Fasten, von Vollkornbrot, von der günstigen Wirkung von Obst- und Rohkostkuren etwas gewußt? Wir werden ganz bescheiden, wenn wir uns davon überzeugt haben, daß das, was wir als neue Errungenschaften angesehen haben, in Wirklichkeit eine uralte Erkenntnis ist.

Wer eine Abmagerungskur machen wolle, dürfe zum Essen nichts trinken, höchstens geraume Zeit nach dem Essen. Dadurch komme eine Austrocknung des Körpers und eine Beseitigung der wässerigen Anschwellung zustande.

Von den Wasseranwendungen hält Hippokrates sehr viel. Sie würden vielen Kranken Hilfe bringen, meint er, gleichviel ob man sie ständig oder nur vorübergehend gebrauche. Allerdings bedürfe es einer großen Erfahrung, um mit den Wasseranwendungen nicht zu schaden, denn sowohl zu heißes als zu kaltes Wasser könne nachteilig wirken, ebenso wenn man die Anwendungen zu häufig einsetze.

Bei akuten fieberhaften Krankheiten empfahl Hippokrates das Hauptmittel der heutigen Naturheilkunde, nämlich das Fasten mit gleichzeitiger ausgiebiger Entleerung des Darmes. Man faste, sagt Hippokrates, mit Säften, Wasser oder Gerstenschleim und reinige den Darm durch Abführen mit Klistieren, Abführmitteln oder Stuhlzäpfchen. Seien die Atmungsorgane mitbefallen, so bewähre sich besonders Honigwasser, um den Husten zu lindern, den Schleim zu lockern und seine Auswertung zu erleichtern. Honigwasser steigere auch die Ausscheidung des Urins.

Bei fieberhaften Krankheiten, die eine Kräfteanstrengung des Körpers zur Überwindung einer vorangegangenen Schädigung darstellen, dürfe man den Körper nicht zu stark behandeln. Denn eine solche starke Behandlung strenge an und belaste dadurch den bereits durch das Fieber angestrengten Körper.

Hippokrates war ein wirklicher und echter Klassiker der Naturheilkunde. Mögen deshalb die unbefriedigten und suchenden Ärzte zu ihm zurückgehen, sie gewinnen an ihm ein Verständnis für die moderne Naturheilbewegung. Die Rückkehr zum „Vater der Heilkunst“, zu Hippokrates, ist deshalb ein vorzüglicher Weg, um zu einer „Synthese“ zwischen wissenschaftlicher Medizin und Naturheilkunde zu gelangen.